Hamari-Blog

Dienstag, November 20, 2007

Intelligent Design an der Bergakademie

Neulich in meinem Briefkasten:


Rundmail ueber UNIINFO-L!

Liebe Studenten, liebe Mitarbeiter,

herzliche Einladung zu einem Hörsaalvortrag zum Thema:
„Leben aus dem Nichts? Warum einem Naturwissenschaftler die
Evolutionstheorie nicht ausreicht“
am kommenden Montag, 19.11.2007, ab 20.15 Uhr
im Hörsaal GEL 0001
Referent: Prof. Dr. Peter Imming, Halle (Saale)

Wir freuen uns über interessierte Zuhörer und sind neugierig auf
eure/Ihre Fragen zum Thema.

Glück auf!
*** ***
SMD Freiberg
www.smd-freiberg.de



Rundmail ueber UNIINFO-L!

Für den 19.11. wurde per Email-Verteiler und durch Aushänge in
Instituten der Vortrag "Leben aus dem Nichts?" (Prof Imming/Halle)
angekündigt. Aus diesen Ankündigungen geht interessanterweise nicht
hervor, dass der Vortragende Referent der "AG Wort und Wissen" ist
(deren 2. Vorsitzender), einer dem Kreationismus und Intelligent
Design nahestehenden Vereinigung. Neben dieser unseres Erachtens
notwendigen Information weisen wir zudem explizit darauf hin, dass
der Bereich Paläontologie der TU Bergakademie sich von den durch die
"AG Wort und Wissen" vertretenen Positionen ausdrücklich distanziert.
Absender war:
Dr. *** *** (Bereich: Paläontologie) am 14.11.2007, 10.06



Das versprach interessant zu werden. Immerhin meine zweite Begegnung mit echten Kreationisten! Entsprechend sorgte ich für meine Anwesenheit.
Der Saal war gut gefüllt, aber ich fand noch einen Sitzplatz. Vorn auf dem Tisch standen 2 Zierpflanzen, die Atmosphäre war entspannt.

Zunächst wurde Herr Prof. Dr. Imming on einem Vertreter der örtlichen SMD-Gruppe per Kurzbiografie vorgestellt. Auch seine Titel und wissenschaftlichen und allgemeinen Leistungen wurden sehr deutlich gewürdigt. Vielleicht einen Tick zu deutlich. Zeitgleich wurden Handblätter ausgeteilt, welche die Lichtprojektionen des Vortrags beinhalteten und somit weitestgehend Notizen überflüssig machten. Schließlich wurde dem Referenten persönlich das Wort übergeben.

Einleitend stellte dieser fest, dass die Debatte um Evolutionstheorie, Kreationismus, Intelligent Design und Religion allgemein von allen Seiten sehr emotional, unsachlich und häufig unter der Gürtellinie geführt werde und er das sehr bedauere. Er bevorzuge sachliche Diskussionen. Womit er im universitären Umfeld zumindest nicht vollkommen deplaziert wirkte.
Des Weiteren wolle er nicht die Evolution an sich in Frage stellen. Auch er sei Wissenschaftler und da gäbe es nicht viel zu diskutieren.

Hier besteht offenbar Bedarf an interner Abstimmung innerhalb der „Studiengemeinschaft Wort & Wissen e.V.“, deren 2. Vorsitzender Herr Prof. Dr. Imming ist. Wort & Wissen über sich selbst, Zitat III.3.: „Mit theistischen Evolutionslehren gemeinsam ist die Ablehnung der Lehre von der Evolution als naturalistisch-ungesteuertem Vorgang. Darüber hinaus lehnen wir allerdings auch die Lehre von einer wie auch immer gesteuerten Evolution ab, weil dem nach unserer Überzeugung eine Reihe gewichtiger theologischer Argumente entgegenstehen.“

An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass es für einen Atheisten nicht immer leicht ist, Argumente gegen bestimmte Christen hervorzubringen. Es gibt einfach kein einheitliches „Feindbild“. Jeder Mensch hat eine individuelle Vorstellung von Gott und es gibt eine gewaltige Zahl unterschiedlicher Vorstellungen darüber, was Gott macht, was er getan hat, welche Stellen der Bibel man „im zeitlichen Kontext“ lesen muss und so weiter und so fort. Sich mit hunderten verschiedenen Auffassungen auseinanderzusetzen ist zeitintensiv und praktisch unmöglich. Das Feindbild „Darwinismus“ ist deutlich konkreter, besser zu fassen und damit eine geeignete Zielscheibe. Da bedient sich mancher Christ auch gerne der Argumente anderer Antidarwinisten, ohne Rücksicht auf die vermeintlich eigene Position. So kann man gerne behaupten das Leben sei geschaffen worden und anschließend habe die natürliche Evolution eingesetzt. Und Gott habe immer mal eingegriffen. Und überhaupt, es gebe auch gute Argumente gegen die Evolution, so sicher sei das gar nicht.
Ich habe großes Verständnis für Atheisten, die an dieser Stelle beginnen „emotional“ zu diskutieren.

Zurück zum Vortrag: Die Evolution wird also nicht in Frage gestellt, wohl aber die natürliche, „zufällige“ Entstehung des Lebens. Als Probleme einer solchen ungesteuerten Entstehung sieht der Referent vor allem das Problem der Homochiralität verschiedener biologischer Moleküle. Viele Amminosäuren, Zucker und andere Stoffe drehen sich in Organismen nur in eine Richtung. Für den Organismus ist diese Homogenität wichtig, da er falsch gedrehte, Synthetisch hergestellte Spiegelmoleküle schlicht nicht verarbeiten kann.
Bei einer von Proteinen nicht beeinflussten Synthese hingegen treten in beide Richtungen gedrehte Stoffe (in der Regel) in gleichen Konzentrationen auf. Ein Chemiker kann dieses Gleichgewicht durch großen Aufwand verschieben, aber wie sollte in der (präbiologischen) freien Natur, wo alles durcheinander gedreht ist, Leben entstehen können? Es sei denn natürlich, da sei ein „Chemiker“, der für Ordnung sorgt…
Muss tatsächlich für Ordnung gesorgt werden? Könnte es nicht sein, dass die ersten Moleküle, die von allein zusammengefunden haben, einfach gleich gedrehte Moleküle bevorzugten? Und später als sie selber Moleküle Schufen, diese Drehrichtung weitergaben? Die anfängliche Entstehung des Lebens ist zugegebenermaßen praktisch noch ziemlich unerforscht. Unter welchen Umständen die Moleküle sich zu Molekülverbänden zusammenlagerten und das erste mal eine sinnvolle, sich selbst vervielfältigende Konstruktion hervorbrachten, ist vollkommen unbekannt. Gut möglich, dass sich aus der Beantwortung dieser Frage auch eine Antwort auf die Frage der Homochiralität ergäbe. Zugegeben, die noch zu leistende, wissenschaftliche Arbeit bis dahin ist enorm. Zu enorm und damit abschreckend?
Alternativ könnte man sich mit der Schöpfungsthese zufriedengeben. So wie es Werner Arber tat, der 1978 einen Nobelpreis (!) für Physiologie bekam:

„Wie solche bereits recht komplexen Strukturen zusammenkommen können, bleibt für mich ein Geheimnis. Die Möglichkeit der Existenz eines Schöpfers, Gott, ist für mich eine befriedigende Lösung des Problems.“

Dieses Zitat fand deshalb auch Eingang in den Vortrag. Ebenso wie andere Zitate, z.B. von Sir Derek Barton, Henry F. Schaefer, Isaac Newton, Michael J. Behe oder gar Prof. Dr. Imming selbst. Die Freude stand dem Referenten ins Gesicht geschrieben, als er den Nobelpreis eines Zitierten betonen durfte, seine Lebensleistung herausheben oder gar seine „Objektivität“ untermauern konnte (Wie zB. Bei Galilei, dem die Kirche ja böse war, der aber dennoch an einen Schöpfer glaubte).
Ich möchte hier nicht die Relevanz Galileis oder Newtons für die moderne Biochemie hinterfragen, wohl aber die philosophische Interpretationshoheit einiger Biochemiekoryphäen über ihre eigenen Ergebnisse. Sie (Ergebnisse) werden wohl durchaus wissenschaftlich erarbeitet worden sein, doch sind auch die philosophischen Schlussfolgerungen noch wissenschaftlich? Ich bin mir zumindest sicher, dass sie dafür keinen Nobelpreis bekommen haben.

Die natürliche, „unbiologische“ Entstehung von Ribosen, Proteinen, funktionalen Proteinen, Nucleotiden, RNA/DNA, genetischen Codes, Lipiden, Fettsäuren und Membranen, Vitaminen bis hin zur ersten Urzelle mögen ungeklärt sein. Dass einige diese Substanzen vom „Chemiker“ im durchgeplanten Experiment hergestellt werden können, reicht mir als Indiz für den „großen Chemiker“, Gott, nicht aus. Herrn Prof. Dr. Imming reicht es im Prinzip als Quasibeweis: "Das Leben wurde zielgerichtet geschaffen!"

Man verzeihe mir meine Polemik, aber:
Ich kann auch geplant und durchkalkuliert auf den Bürgersteig kacken. Dennoch käme ich nicht auf die Idee, in jedem Haufen, dessen Herkunft ich nicht kenne, das Handwerk Gottes zu vermuten. Der Unterschied liegt darin, dass ich hier potentielle Alternativen zu Gott kenne. Es laufen genug Leute mit Hunden umher. Doch die Lebensentstehung aus toter Materie ist ungleich komplexer und findet nicht alltäglich statt. Sofern es unter heutigen Bedingungen, in den dem Menschen zugänglichen Gebieten überhaupt noch einmal entstehen könnte, geschweige denn sich gegen vorhandene Organismen behaupten…

Dass wir die Vorgänge von damals nicht kennen und auch noch nicht zufällig rekonstruieren konnten, heißt nicht, dass es sie nicht gab. Vor 5000 Jahren war nicht klar, dass die Erde sich um die Sonne bewegte. Sie tat es trotzdem. Als Alternative z.B.: Re, der Ägyptische Sonnengott. Dabei hatten die Ägypter professionelle Astronomen, die für damalige Verhältnisse anerkennenswerte Wissenschaft betrieben. Doch die Wissenschaft blieb nicht stehen, sprengte die damaligen Grenzen und heute kennen wir Durchmesser, etwaige Beschaffenheit und Temperatur unseres Zentralgestirns. Die Naturwissenschaft gab sich nicht mit metaphysischen Erklärungen zufrieden und sie fand ein sehr viel sinnvolleres Modell als Re.
Als 1875 in den USA der Direktor des Patentamtes zurücktrat, weil es nichts mehr zu erfinden gäbe, tat er dies wohl im Glauben, alles Erreichbare sei erreicht. Mehr ginge nicht. Ist denn in der Biochemie heute schon alles Erforschbare erforscht? Ist es eines Wissenschaftlers würdig, die Unglaublichkeit der Entstehung des Lebens hinzunehmen und die die Verantwortung dafür auf ein metaphysisches Wunderwesen zu schieben?

Darauf zielte auch meine Frage am Anschluss der Vorlesung: „Ist Gott ein bewusst handelndes Wesen? Hat er bei der Schaffung des Lebens sich an Naturgesetze gehalten oder hat er dabei gezaubert?“ Immings Antwort zufolge, scheint seine Vorstellung von Gott der eines großen mächtigen Wesens mit Zauberkräften identisch zu sein.
Ich hätte gern noch die Frage gestellt, ob man größere Verstöße gegen Naturgesetze, „Wunder“, nicht messen und damit – rein theoretisch - Gott beweisen könnte. Leider war zu wenig Zeit und es kamen noch einige wenige andere Studenten zu Wort. Z.B. mit der Frage, weshalb Imming aufgrund dieser festgestellten Wunder nun ausgerechnet auf Jesus käme und nicht etwa Mohammed oder Buddha. Das zu erklären fülle jedoch eine weitere Vorlesung und sei daher in der Kürze nicht zu beantworten.
Für populäre Atheistenthemen wie z.B. die Herkunft Gottes blieb ebenfalls keine Zeit mehr. Gott, der so viel kann, wäre meiner Vorstellung nach ja nicht minder komplex als eine kleine Urzelle. Schade, dass so viele Fragen offen blieben.

Nun ja, eine technische Universität im Osten ist sicher kein leichtes Terrain für einen Intelligent-Design-Verfechter (sofern ich ihn jetzt richtig einordne). Der Grossteil der Zuhörer war, meiner Einschätzung nach, vom Typ „Atheist, der mal Kreationist gucken will“. Die Veranstaltung blieb sachlich, es wurde niemand seiner Gläubigkeit wegen aus der Uni gemobbt. Den missionarischen Erfolg indes (auch wenn er als Wissenschaftler das Wort „Mission“ ablehnen wird), muss ich als gering einschätzen. Was ich an privaten Gesprächen am Ende so im Vorbeigehen erlauschen konnte, klang durchweg skeptisch bis ablehnend.

Immerhin gab es am Ausgang noch belegte Brötchen. Neue philosophische Erkenntnisse nahm ich nicht mit nach Hause, aber so ein Kräuterquarkbrötchen mit Gürkchen ist schließlich auch was. Und für die Inspiration, diesen Blogeintrag zu schreiben, bin ich natürlich auch dankbar. Leider bleibt auch ein wenig Enttäuschung darüber, dass es sich um keinen waschechten Kreationisten handelte. Naja, man kann nicht alles haben.

Meine Einschätzung: potentielles Erweckungserlebnis für Sowiesoschonchristen, mittlere Infektionsgefahr für Unentschlossene, unterhaltsam für kritische Atheisten. Gerne wieder!

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